Im Februar waren wir überraschend für ein Wochenende in die Berge eingeladen. Klar, dass ich beim Packen noch den Blick ins Bücherregal warf. Da wartet für gewöhnlich spannende Lektüre darauf, gelesen zu werden – too many books for so little time. Ich schnappte mir das vor einiger Zeit schon mal eingelesene “Dare to lead” von Brené Brown.
Der Griff war goldrichtig, die Lektüre inspirierte mich. Meine Freizeitbegleiter/innen mussten sich immer neue Weisheiten, die ich hier entdeckte, anhören. Brené Brown steht für einen Leiterschaftsstil, der durch und durch auf Authentizität baut. Sie entlarvt Techniken, die eigene Machtansprüche aus Selbstschutz grob verteidigen. In diese Kultur hinein plädiert sie für Mut, der sich in seiner Verletzbarkeit zeigt, gerade als Leitungsperson. Damit meint sie nicht ein gedankenloses Sich Zur Schau Stellen, sondern einen verantwortlichen Umgang mit der eigenen Scham und eben den Mut, nicht aus der Verletzung, sondern aus einem geklärten Herzen zu agieren.
Mir begegnet hier ein Leitungsstil, der sich selbst und die andern ernstnimmt. Macht und Kraft werden dafür aufgewendet, sich selbst zu führen und den beschwerlichen Weg des Dienens zu gehen. Vieles davon kann ich mit den Prinzipien, die ich bei Jesus lerne, in Verbindung bringen.
Zurück im Flachland dann der Schock, das Undenkbare, das Realität wird. Im Osten Europas bricht Krieg aus. Mit der Kriegsrede des russischen Präsidenten und dem darauf folgenden übermächtigen militärischen Angriff vor Augen kommt mir Brené Browns Ansatz vor wie das Gesäusel einer Utopie. Ja, wär nett, aber diejenigen, die sich wirklich durchsetzen, greifen zu anderen Mitteln. Soldaten, Panzer, Raketen werden siegen. Die Aufrüstung des Westens folgt postwendend, eine Drohgebärde der Gegengewalt.
Ich mag jetzt auch keinen “Gott hat alles im Griff, am Ende siegt Jesus”-Trost. Und doch setzt sich in mir der Wille durch, dieser weltfremden Linie des Reiches Gottes treu bleiben zu wollen. Weiter glauben, weiter lieben und weiter eine Leiterin sein, die echt menschlich sein will, weil sie einen Mensch gewordenen Gott kennt. Bei dem verstorbenen deutschen Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch habe ich folgende Worte gefunden:
“Jeder soll es sehen und jeder soll es hören und nach Hause laufen und sagen, er habe die Kinder Gottes gesehen, und sie seien ungebrochen freundlich und heiter gewesen, weil die Zukunft Jesus heiße und weil die Liebe alles überwindet und Himmel und Erde eins wären und Leben und Tod sich vermählen und der Mensch ein neuer Mensch werde durch Jesus Christus.”
Ich will so ein neuer, echt Mensch gewordener Mensch sein, durch die Kraft, die Christus in uns freisetzt, um nach den Tugenden der Liebe zu leben. Und zu leiten.
Sabine Fürbringer