“Wenn du dein eigenes Nein respektierst, dann werden das andere auch tun.” Als ich neulich dieses Zitat einer Rabbinerfrau las, kamen mir sofort Szenen aus der Familienzeit in den Sinn. Kinder haben ein untrügliches Gespür dafür, wie ernst es dir als Mutter mit deinem Nein ist. Sie werden deine Entschiedenheit mit Charme oder notfalls auch mit Trotz auf den Prüfstand stellen. Bist du überzeugt, dass die Grenze, die du setzen willst, lebensbejahend und angemessen ist, wirst du sie auch mit der nötigen Beharrlichkeit durchsetzen können. 

Für viele Frauen ist es ein Lernprozess, sowohl den eigenen Standpunkt zu finden als auch ihn nach aussen so zu vertreten, dass er Gehör findet. Natürlich ist es eine Stärke, wenn ich in einer Gruppe gut hinhöre, welche Ideen und Bedürfnisse vorhanden sind und wir dann gemeinsam gute Ideen entwickeln. Zu oft erlebe ich aber bei mir selbst und auch bei Frauen in meinem Umfeld, dass sie am Schluss in irgendwelchen Verpflichtungen drin hängen, die sie belasten und ihnen die Lebensenergie rauben. Was folgt ist ein mühsames sich Herausquälen aus Aufgaben und Beziehungsgeflechten. Wenn sich das nur verhindern liesse.

Zwei Dinge können uns helfen, aus einer grösseren inneren Klarheit – und damit mit mehr Respekt vor unserem Nein – zu handeln:

  1. Ein Nein beinhaltet immer auch ein Ja und umgekehrt. Ich bin nicht die egoistische Verweigererin, wenn ich an einem Punkt Nein sage, sondern ich tue das, weil ich zu anderen Prioritäten, Zielen oder Werten Ja sage und diese konsequent verfolge. Ein Beispiel gefällig? Diesen Sommer haben sich viele junge Paare in meinem Umfeld das Jawort gegeben. Mit diesem Ja haben sie ihrer inneren Entschlossenheit Ausdruck gegeben, dass sie zu allen anderen Liebesbeziehungen Nein sagen. Auch wenn unsere alltäglichen Entscheidungen nicht dieselbe Reichweite haben, kann das Bild als innerer Kompass dienen, um zu prüfen, wie es um ein Ja oder Nein in einer Sache steht.
  2. Innere Klarheit führt zu klaren Statements. Oft ist die Ausgangslage aber nicht restlos geklärt oder für mich neu und ich habe mir die Konsequenzen noch gar nicht überlegen können. Das berühmte “einmal darüber schlafen” hilft tatsächlich. Ich darf mir die Zeit nehmen, die Fakten mit etwas Abstand nochmals zu durchdenken, auf mein Herz zu horchen, das Ganze im Gebet mit Gott zu bewegen, vielleicht mit einer nahestehenden Person meine Gedanken teilen. So wächst in meinem Inneren das Mass an Sicherheit, das es braucht, damit ich selbst und mein Umfeld das entsprechende Nein oder Ja respektieren.

Sabine Fürbringer